Samstag, 4. September 2010

Sarrazin, verlogene Politiker und das ewige Hin und her...

Man möge mir verzeihen: Wer mich kennt weiß, dass ich ein sehr linksgerichteter Mensch bin. Nicht alle Thesen eines Herrn Sarrazin finde ich gut, manche sind wirklich verachtenswert. Zum Beispiel, die These mit den jüdischen oder baskischen Genen. Trotzdem werde ich mir sein Buch "DEUTSCHLAND SCHAFFT SICH AB" irgendwann lesen. Aber erst, wenn es vielleicht eines Tages in der Bibliothek steht, Geld will ich dafür nicht ausgeben. Erst dann kann man sich wirklich eine Meinung über die Aussagen eines Herrn Sarrazin machen.

Fakt ist eines: Dieser Mann, der als Vorstand der als Vorstand der Bundesbank für eine stabile Geldpolitik zu sorgen hat, ist bereits früher mit seinen Thesen angeeckt. Thesen gegen Hartz IVer zum Beispiel. Die taten manchmal auch weh. Damals war er noch in der Politik als Finanzsenator der Stadt Berlin tätig, wo er einen rigiden Sparkurs einleitete. Und auch damals bekam er von allen Seiten Dresche, wenn er davon sprach, man solle einen Pullover mehr anziehen und die Heizung runterdrehen.

In seinem Buch jedoch schreibt er Ansichten, die die meisten Deutschen vertreten. Fakt ist doch: Russen, Polen, Vietnamesen, Amerikaner, Griechen, Italiener... Sie alle integrieren sich problemlos in unser System und unsere Kultur. Niemand verlangt dabei ernsthaft, dass sie dabei ihre Kultur aufgeben sollten. Das wäre auch hirnrissig, weil jeder Deutsche bestimmt schon mal griechisch, indisch, italienisch oder auch türkisch essen war. Ein kleiner Ausflug in eine andere Kultur halt. Fakt ist aber auch, dass die größten Probleme in der Gesellschaft mit Einwanderern arabischer oder türkischer Herkunft existieren. Ganze Straßenzüge in Berlin sind fest in türkischer oder arabischer Hand und auf deutsch braucht man da keinen nach dem Weg zu fragen, man wird eh nicht verstanden. Auch die Jugendkriminalität ist bei Jugendlichen dieser Herkunft am höchsten. Aber haben wir uns das nicht auch selbst zu verdanken? Sicher: Integration muss von beiden Seiten kommen: von den "Alteingesessenen" als auch von den Zuwanderern. Sonst funktioniert das nicht. Als die Bundesrepublik in den 50er und 60er Jahren Zuwanderer für die Industrie holte, waren diese eigentlich vorrangig für niedrigere Arbeiten gedacht. Stupide Arbeiten am Fließband oder gehobene Tätigkeiten mit der Klobürste. Niemand hat damals daran gedacht, dass diese Menschen dann auch hier blieben. Also hat man gar nicht erst angefangen, sie irgendwie in die Gemeinschaft zu integrieren. Und sie haben sich also logischerweise ihre Parallelwelt geschaffen. Polen, Italiener, Griechen und Russen kamen ja immerhin aus dem selben Kulturkreis. Mit denen "konnte man ja von Hause aus gut zusammenleben".

Hat also nicht die "deutsche Gesellschaft" selbst die nun vorherrschende Situation geschaffen? Natürlich gibt es Fälle, in denen ein türkischer Vater seiner Tochter verbietet am Schwimm- oder Sportunterricht teilzunehmen, weil er das als anstößig und mit seiner Religion nicht vereinbar hält. Hier ist allerdings der Punkt, an dem ich wiederum Sarrazin recht geben muss. Wer hier lebt hat sich auch an die hiesigen Gesetze und Gepflogenheiten zu halten. Damit ist nicht gemeint, dass die Muslime auch Weihnachten zu feiern haben. Das bedeutet einfach, dass man seine Kinder nach hiesigen Standards ausbilden lässt, damit sie im späteren Leben die selbe Chance wie die "alteingesessenen" haben. Einwanderer anderer Kulturkreise tun das und haben damit kein Problem. Auch wenn deren Kinder eingeschult werden, sprechen sie meist fließend deutsch. Bei türkisch/arabischstämmigen Kindern ist das nicht immer der Fall. Dieser Punkt hat in Berlin eine Politikerin dazu gebracht, zu fordern, dass die deutschen Lehrer dann halt türkisch lernen sollten!!! Die Ausrede "Unsere Kinder werden auf dem Arbeitsmarkt schlechter gestellt!" hat wahrscheinlich irgendwie auch hierin ihre Ursache. Ein anderer Punkt: Jeder im Lande konnte es im Fernsehen verfolgen, als Erdogan seine Landsleute in Deutschland dazu aufrief, sie sollten sich nicht assimilieren und wie viele Türken im Stadion dabei jubelten. Auch das fördert ganz bestimmt nicht die Vertrauensbildung zwischen Türken und Deutschen. Was das Vertrauen stärkt sind türkische Einwanderer wie mein Kumpel Ersan, der eine Imbissbude in der Berliner Zossener Straße betrieb. Wenn Türken bei ihm auf türkisch bestellten, forderte er sie unumwunden auf, gefälligst auf deutsch zu bestellen. Man sei schließlich in Deutschland. Oder wenn ein hungriger Mensch kam und kein Geld hatte, bekam der eine Bratwurst umsonst. Als ich ihn fragte, wie er denn so überleben könne und was wäre, wenn sich das rumspräche, antwortete er mir: "Ich bin Muslim und darf keinen Menschen hungrig lassen". Seine Freigiebigkeit sprach sich rum und er ging pleite. Aber jeder der ihn und seinen Imbiss kannte, egal welcher Nationalität, trauert diesem Menschen, der mittlerweile wieder in seine Heimat zurückgekehrt ist, nach.

Um wieder zum Thema zu kommen: Sarrazin hat mit seinem Buch provoziert. Aber er hat nicht nur das getan, sondern endlich die Menschen auf beiden Seiten wachgerüttelt. Er hat eine längst fällige Diskussion vom Zaun gebrochen, die hoffentlich sowohl die Einwanderer aus muslimischen Ländern und ihre Nachkommen, als auch die "Eingebohrenen" zum Nachdenken und zum "Aufeinanderzugehen" veranlasst. Man kann von anderen Kulturen lernen. Dazu muss man sie aber auch akzeptieren. Das soll nicht bedeuten, dass nun jeder Deutsche fünf mal am Tag in die Moschee gehen soll, wir müssen aber unsere Angst vor "der unbekannten Religion" verlieren, müssen gemeinsam die Ärmel hochkrempeln und aufeinander zugehen. Auf beiden Seiten müssen Ressentiments abgebaut und neues Vertrauen geschaffen werden.

Kurioserweise hat Sarrazin mit seinen Thesen dazu einen ersten Schritt getan. Er hat darauf hingewiesen, dass die Kluft immer größer wird. Dies ist unter anderem, oder vor allem, auf eine total und katastrophal verfehlte Integrationspolitik der letzten Jahrzehnte zurückzuführen. Unseren führenden Politikern ist das absolut klar. Wenn Merkel, Westerwelle, Künast und Co. jetzt aus allen Rohren auf Sarrazin schießen ist das nicht nur verlogen sondern vor allem ein Beweis dafür, dass sie absolut kein Rezept haben, um die Situation wieder in Ordnung zu bringen. Die SPD nennt sich "Volkspartei" und verkraftet es nicht mal, wenn eines ihrer Mitglieder eine Meinung äußert, die den "OberSPDlern" nicht in den (politischen) Kram passt. Ich bin mir sicher, dass manch einer von ihnen genau so denkt, es aber nicht zugibt. Allerdings ist eine Volkspartei ja nicht wie die SED eine Partei, die aus leuter Linientreuen Mitläufern besteht, dafür ist heute eher DIE LINKE zuständig. Die Basis der SPD überschüttet die Führung der Parte mit E-Mails und Post, dass Ausschlussverfahren gegen Sarrazin einzustellen. Die Genossen jedoch haben von der Honeckerclique ziemlich gut gelernt, dass die Meinung der Parteibasis egal ist. Aber gerade diese Flut von E-Mails und Post zeigt doch, dass auch in der SPD die Mehrheit der Basis auf Sarrazins Seite steht. Und Frau Merkel, die gegen Sarrazin wettert und dann äußert, es könne nicht sein, dass Gebiete mit vorrangig türkischem und arabischem Einwohnerhintergrund zum Rechtsfreiem Raum verkommen (Zitat nicht wörtlich!!!), auch wenn das nicht auf den religiösen Hintergrund zurückzuführen sei, scheint sich der Schizophrenie ihres Verhaltens nicht wirklich bewusst zu sein. Keinem von denen, die jetzt gegen Sarrazin und sein Buch wettern scheint das schizophrene Verhalten Bewusst zu sein: Niemand hätte ohne diese Querschläger aus Politik, türkischer Gemeinde, jüdischem zentralrat etc. überhaupt Kenntnis genommen. Billiger und effektiver hätte Sarrazin seine PR wirklich nicht haben können.

Sarrazin hat wieder zugeschlagen. Er hat - wieder einmal - Deutschland gespalten. Aber er hat etwas sehr wichtiges getan:
  1. Er hat zum Nachdenken angeregt
  2. Er hat Wahrheiten ausgesprochen, auch wenn er sie mit zum teil unhaltbaren und falschen Statistiken untermauert.
  3. Er hat den Politikern ihre Masken vom Gesicht gerissen und die verlogenen Fratzen zum Vorschein gebracht.
  4. Er hat die Verzweiflung der Politiker gezeigt.
  5. Er hat gezeigt, wie weit die Politiker vom Volk und seinen Sorgen bereits entfernt sind und wie wenig ihnen die Meinung des Volkes wirklich wert ist. Es ist halt kein Wahljahr.


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