Mittwoch, 3. Februar 2010

Auf dem Weg zum Vorstellungsgespräch

Auf dem Weg zum Vorstellungsgespräch. Ich habe ja kein Auto, also nehme ich die U-Bahn. Und die Straßenbahn. Und genau in die stiegen, zwei Stationen nach mir, so etwa zwanzig Kinder im noch nicht wehrfähigem Alter ein. Nicht wehrfähig bedeutet in dem Fall, dass sie sich noch nicht verteidigen können, dafür aber auf Angriff spezialisiert sind. Zwei von ihnen, die sich mir gegenüber setzten, unternahmen mit ihren schneebematschten Schuhen denn auch gleich einen Großangriff auf meine frisch gewaschene und von mir selbst gebügelte Anzughose. Alle zusammen jedoch griffen die Fahrgäste mit Lautstärke an. Einer Lautstärke, wie sie selbst die größten Rockbands vergeblich zu erreichen suchen. Und mittendrin, im nun bereits nicht mehr so schicken Anzug, ich.

Eine Station weiter stieg ein älterer Herr ein, einer in dem Alter, in dem man scheinbar bereits vergessen hat, dass man ja auch mal ein kleines Kind war. Es dauerte auch keine Minute bis sein Nervenkostüm in die Scherben fiel, über die die Kinder fröhlich weitermarschierten. Ziemlich erregt schnauzte er mich an, ob es sich bei diesen Gören um die meinem handeln würde. Ich antwortete, dass ich es nicht genau wisse und keine Ahnung hätte, wie ich das auf die Schnelle herausfinden könne, wenn er allerdings ein DNA-Labor dabei hätte könne man ja der Sache gemeinsam auf den Grund gehen. Zugegeben: Als Mann ist man ja auch ein bisschen stolz, wenn einem so eine Potenz zugetraut wird. Vor allem, wenn man so eine Art Zweckmohamedaner zu sein scheint. Schließlich konnten diese ganzen Kinder ja unmöglich von einer einzigen Frau sein. Da gab es schwarze, asiatische und europäische unter ihnen. Ich begann damit, mir das Kindergeld auszurechnen und ob sich denn mein Bewerbungsgespräch dann finanziell noch lohnen würde. Ich meine natürlich nicht das Gespräch, sondern der eventuell folgende Job.

Am Alex steige ich aus. Meine Kinderschar folgt mir – wie könnte es anders sein – auf dem Fuße. Sie springen aus der Straßenbahn in den Schneematsch der Haltestelle und versauen mir damit noch den Rest meiner Anzughose und meines Anzugs überhaupt. Ich bin stolz auf meinen Nachwuchs. Die Zukunft Deutschlands, ja, die Zukunft des Planeten wird einmal in Ihren Händen liegen. Sie werden später den Anzugzwang abschaffen. Sie werden... Plötzlich brüllt eine Frau wie wild los: Lara! Fass den Philipp an! Markus! Hör auf, der Saskia die Mütze zu klauen! Gib sie ihr wieder! Die Anweisungskanonade ging weiter. Plötzlich gesellte sich noch eine zweite, etwas dickere Frau dazu und fing mit an, meinem Nachwuchs Befehle zu erteilen. Bevor ich meine Kinderschar vor diesen beiden Matronen schützen konnte, entführten die Damen meine komplette Familie. Wie bringe ich das nur meiner Frau bei? Dabei fällt mir ein, dass ich ja Single bin. Sollte diese ganze Brut etwa doch nicht von mir sein? Diese quengligen Terroristen? Ich beende meine Kindergeldkalkulation und verzichte freiwillig. Zum Glück hatte der ältere Herr kein DNA-Labor dabei. Ich komme pünktlich zu meinem Vorstellungstermin. Pünktlich, aber total eingesaut. Die Zukunft unseres Landes, ach was, des ganzen Planeten hat das bewirkt.

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